Philosophie - ganzheitliches Denken - Universalität
Ein Weg zu einem zeitgemäßen
Welt- und Menschenbild
Es gibt leider heute kein wirklich zeitgemäßes Weltbild. Unser „modernes“ Weltbild ist im ausgehenden 19. Jahrhundert stecken geblieben. Die rasante Entwicklung des 20. Jahrhunderts ist spurlos an uns vorüber gegangen. Das müsste uns zunächst bewusst werden, dann erst könnten wir das Versäumte nachholen und ein zeitgemäßes Weltbild entwickeln.
„Wir leben im 21. Jahrhundert mit der Technologie des 20. Jahrhunderts und wollen die heutigen Probleme mit dem Denken des 19. Jahrhunderts lösen – und das kann nur in den Graben gehen…“ (Hans-Peter Dürr)
10 Thesen, die das Problem bewusst machen sollten:
1. Wir leben heute mit einem Denkrahmen (Welt- und Menschenbild), das an die Naturwissenschaft angelehnt ist, allerdings an die Naturwissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
2. Die Revolution Galileo Galileis und Isak Newtons hat zu einer Revolution im Denken nicht nur der Scientific Community, sondern auch der Gesellschaft geführt. Die Revolution der Quantenmechanik oder der Tiefenpsychologie ist dagegen an unserem Denken bisher spurlos vorbeigegangen.
3. Vor allem die Quantenmechanik erfordert einen neuen Denkrahmen, weil diese Theorie über die westliche Logik hinausgeht. Das „Entweder – Oder“ wird der Wirklichkeit nicht mehr gerecht, ebenso wenig die Trennung zwischen Subjekt und Objekt und das Fragmentieren (Analyse) der Wirklichkeit.
4. Die Naturwissenschaft war/ist unglaublich erfolgreich, aber nach Herbert Pietschmann deshalb, weil sie „die Welt, in der wir leben, ersetzt durch eine Welt, die wir erfinden ... die Analyse.“ So gilt der Satz: „Alle Körper fallen gleich schnell“ nicht in unserer Lebenswelt, sondern im Vakuum. Und im gesamten Weltall gibt es keine ellipsenförmige Planetenbahn, in deren Brennpunkt die Sonne stünde, sondern nur in einer (konstruierten) isolierten Situation, die es aber in unserer Welt nicht gibt.
5. Was in unserer Lebenswelt unmittelbar erfahrbar ist, wird durch die – eben deshalb so erfolgreiche – westliche Logik ausgeschlossen: das Einmalige, nicht Reproduzierbare, Qualitative, Subjektive, die Synthese, die Vernetzung, eben weil wir die Welt in Teile zerlegen, fragmentieren müssen.
6. Verkürzt könnte man dagegen sagen: Es existiert nur das Ganze, isolierte Teile (mit denen wir uns heute hauptsächlich beschäftigen) sind nur eine Fiktion unseres Denkens. Auch wenn wir uns an isolierten Teilen orientieren und daraus die Erfolgsgeschichte der Naturwissenschaft geschrieben haben.
7. Einzelne Forschungsgebiete sind offene, nicht isolierte Bereiche. Die Wissenschaften können nichts über ihre „Oberbegriffe“ aussagen. Physik kann nicht sagen, was Materie ist, Biologie nicht, was Leben ist, Psychologie nicht, was Seele ist. Hans-Peter Dürr steht nicht an zu sagen, dass es das, womit er sich sein ganzes Forscherleben lang beschäftigt hat, nämlich die Materie, gar nicht gibt.
8. Derselbe sagt auch, dass wir heute mit der Technologie des 20. Jahrhunderts und den Problemen des 21. Jahrhunderts leben, das alles aber mit dem Denken des 19. Jahrhunderts bewältigen wollen, und „das kann nur in den Graben gehen.“
9. Wir beherrschen die Realität (res – die Welt der isolierten Dinge) und sind hilflos in Bezug auf die Wirklichkeit (das Ganze). Das „Menschliche“ ist uns ferner denn je. Was auch gar nicht erstaunlich ist, denn wenn alle möglichen Fragen der Wissenschaft beantwortet sind, dann sind unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt (Wittgenstein, Tractatus 6.52).
10. Ein zeitgemäßes Welt- und Menschenbild wäre daher dringend notwendig. Dazu wäre das sich aus der Quantenmechanik und der Chaostheorie (der Theorie komplexer Systeme – die Naturwissenschaft ist dagegen eine Theorie einfachster Systeme) ergebende ganzheitliche Denken zu reflektieren (was nicht heißt, die Quantenmechanik auf andere Gebiete anzuwenden, wie das so oft versucht wird), ebenso der andere (von Platon ausgehende) Strom des europäischen Denkens neben jenem, der von Aristoteles zur Naturwissenschaft führt. Es müssten außerdem alle Dimensionen menschlichen Wissens (repräsentiert an den Universitäten: von der Physik und Chemie über Biologie, Psychologie und Soziologie bis zur Philosophie und Theologie) einbeziehen.