Ganzheitliche Medizin
Robert Harsieber
(Vortrag beim Symposium "Ganzheitliche Tendenzen in der modernen Medizin",
Jänner 1992 in Klagenfurt).
Bei dem Begriff "Ganzheitsmedizin" geht es nicht um Homöopathie, Akupunktur und andere Methoden, die man früher als "Alternativmedizin" bezeichnet hat, sondern vielmehr darum, dass diese Methoden sinnvollerweise die Schulmedizin ergänzen können.
Schulmedizin ist in erster Linie eine Medizin der Universitäten und Universitätskliniken. Hier wurden und werden bei akuten Erkrankungen spektakuläre Erfolge erzielt. Bei sogenannten Befindlichkeitsstörungen und chronischen Erkrankungen ist die Schulmedizin aber weniger erfolgreich, obwohl es sich dabei um den Großteil der Fälle handelt, mit denen ein niedergelassene Arzt in seiner Praxis zu tun hat. Und genau da liegt die Stärke jener Methoden, die man früher als Alternativmedizin bezeichnet hat. Man nennt sie heute lieber komplementäre Methoden, weil sie nicht mehr als Alternative sondern als Ergänzung der Schulmedizin angesehen werden.
Unter Ganzheitsmedizin versteht man daher Schulmedizin plus komplementäre Methoden unter Einbeziehung auch der seelisch-geistigen Komponente. Denn Ganzheits-medizin behandelt nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen, was auch eine psychische, seelische und geistige Ebene einschließt.
Es geht nämlich in erster Linie nicht um einen Streit der Methoden von Schulmedizin und Komplementärmedizin, sondern vor allem um ein neues Welt- und Menschenbild, das den ganzen Menschen, der bisher in der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise ausgeklammert war, wieder mit einbezieht.
Das naturwissenschaftliche Weltbild
Man kann ja auch umgekehrt fragen: Wie ist denn das Seelisch-Geistige überhaupt aus unserem Weltbild verschwunden? Das ist ja gar nicht so selbstverständlich, wie es aufgrund unseres gewohnten Denkens erscheint.
Dazu brauchen wir uns nur ungefähr 350 Jahre zurückzuversetzen. Im 17. Jahrhundert haben drei Männer, Descartes, Galilei und Newton das damalige Weltbild grundlegend verändert.
Descartes unterschied zwischen Materiellem und Geistigem, und betrachtete das Materielle, auch den menschlichen Körper, rein mechanisch. Galilei beschränkte die Wissenschaft auf das quantitativ Meßbare, Wiederholbare und auf das Experiment, und Newton baute dies zu einer systematischen Methode aus.
Die Unterscheidung zwischen Geist und Materie, zwischen Subjekt und Objekt, ermöglichte es der Naturwissenschaft, sich ausschließlich den Objekten zuzuwenden. Das führte zu einer Wissenschaft, in der der Mensch als Subjekt nicht mehr vorkam.
Aber nicht nur die Physik, auch die anderen Wissenschaftsgebiete übernahmen diese Methode und diese mechanistische Sicht der Welt. Auch die Chemie, Biologie und letztlich auch die Medizin.
Die Beschränkung auf das Materielle, Meßbare ermöglichte in der Folge einen enormen Fortschritt der Naturwissenschaften, und auch die naturwissenschaftliche Medizin war damit ungeheuer erfolgreich.
Nur steht eine so geartete Medizin aber vor einem grundlegenden Dilemma: Ihr "Objekt" ist der Mensch, und der lässt sich nicht so einfach in einen materiellen und einen seelisch-geistigen Teil aufspalten, der lässt sich nicht so einfach als Objekt behandeln.
Eine naturwissenschaftliche Medizin wird daher notgedrungen zu einer "Apparate-medizin" (weil ja das Messbare im Vordergrund steht), zu einer "Organmedizin" (weil sie nur das Physische in Betracht zieht) und zu einer "Reparaturmedizin" (weil auch sie den Menschen mechanistisch sieht und einfach Störungen, dort wo sie auftreten, zu reparieren versucht).
Das sind übliche Bezeichnungen für die Schulmedizin, die darin begründet sind, dass sie im mechanistischen Weltbild der Naturwissenschaft agiert, das eben nur das Physische in Betracht ziehen kann.
Die Naturwissenschaft hatte in einem ersten Schritt Materie und Geist unterschieden, um mit dem Messbaren systematisch arbeiten zu können. In einem zweiten Schritt wurden Materielles und Geistiges als getrennte Einheiten angesehen, und in einem letzten Schritt wurde dann alles auf das Materielle reduziert.
Was allerdings überhaupt nicht im Sinne der Erfinder war: Descartes war Philosoph und Theologe, der das Geistige nicht etwa leugnete; Galilei wollte nur Wissenschaft betreiben, ohne mit der Kirche in Konflikt zu kommen (was damals recht gefährlich war), und Newton würde man heute überhaupt als Esoteriker bezeichnen, seine Bibliothek war voll mit alchemistischer Literatur.
Und heute ist ernsthaften Wissenschaftlern wieder völlig klar, dass es sich damals um eine methodische Unterscheidung gehandelt hat, aus der man wissenschaftlich weder eine Trennung, noch eine Leugnung eines seelisch-geistigen Bereichs ableiten kann.
Aber Ende des 19. Jahrhunderts war man noch allgemein der Ansicht, dass man nur die kleinsten Bausteine der Materie finden müsste, dann könnte man das ganze Universum daraus erklären - einschließlich des menschlichen Gehirns.
Man drang auch immer tiefer in die Materie ein, untersuchte Moleküle, Atome, Atomkerne und schließlich Elementarteilchen, bis - ja bis man keine kleinsten Teilchen fand, sondern etwas, das der Vorstellung von kleinsten Bausteinen des Universums überhaupt nicht mehr entsprach.
Statt alles erklären zu können, konnte man sich plötzlich nichts mehr vorstellen, was in diesen atomaren Versuchen wirklich vor sich ging. Elementarteilchen waren plötzlich Teilchen und Welle zugleich. Je nachdem, wie man das Experiment ansetzte, reagierte das Beobachtete einmal als Teilchen und einmal als Welle.
Nach Einstein ist Materie eine Form von Energie, und die Vorstellung von getrennten und unabhängigen Teilchen als Bausteine der Welt ersetzte er durch die Vorstellung von Feldern, die sich kontinuierlich im Raum ausdehnen. "Teilchen" sind dann bloß Orte mit großer Feldstärke.
Die Welt der Elementarteilchen ist keine Ansammlung von Teilen, sondern eher ein kompliziertes Gewebe von Zusammenhängen. Alles hängt mit allem zusammen, sodass ein Geschehen hier von einem anderen in einem ganz anderen Teil des Universums beeinflusst werden kann - ohne jede materielle Verbindung. Ganz unvorstellbar im bisherigen Weltbild der Physik!
Und auch eine objektive Beschreibung der Natur - ursprünglich eine Voraussetzung der Wissenschaft - ist nur mehr beschränkt möglich. In der Quantentheorie können wir nie über die Natur sprechen, ohne über uns selbst zu sprechen.
Die Physik als der Inbegriff des Rationalen wandelte sich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts grundlegend. Begriffe wie Raum, Zeit, Kausalität oder Materie haben ihre gewohnte und absolute Bedeutung verloren. Gegensätze sind keine Gegensätze mehr, das Paradoxe ist Bestandteil der Wissenschaft geworden.
Das muss man vor Augen haben, wenn man von der Komplementärmedizin wissenschaftliche Beweise fordert.
1. meint man damit zumeist die Wissenschaft des vorigen Jahrhunderts, und
2. betrifft die Naturwissenschaft, auch die des 20. Jahrhunderts, nur die physische Ebene, die Medizin aber den ganzen Menschen.
In ein allgemeines Weltbild ist die dramatische Entwicklung der wissenschaftlichen Weltsicht allerdings nicht eingegangen, unser Weltbild ist das des vorigen Jahrhunderts geblieben. Das hat seinen Grund darin, dass sich die neuen Entdeckungen auf die Welt des ganz Kleinen (der Elementarteilchen) und der Welt des ganz Großen (der Astronomie) beziehen, und die klassischen Gesetze in unserer alltäglichen Welt ihre Gültigkeit behalten.
Daher könnte man sagen, die Medizin hat es ja weder mit Elementarteilchen, noch mit Galaxien zu tun, also berühren sie die Erkenntnisse der modernen Physik kaum oder überhaupt nicht.
Es gibt aber noch eine andere Größenordnung, in der die früheren Gesetze ebenfalls nicht mehr anzuwenden sind, und das ist die Komplexität. Das ist die entscheidende Kategorie der Natur und der natürlichen Organismen.
Die Chaostheorie
Die Physik war bisher eine Theorie einfacher Systeme. Diese Vereinfachung war der Grund für ihren durchschlagenden Erfolg. In dieser Vereinfachung lag aber auch ihr großer Nachteil: Denn von der "Wirklichkeit" als Ganzem hat sie sich dadurch zunehmend entfernt.
Das hat sich mit der sogenannten "Chaostheorie" geändert, mit der die Physik in letzter Zeit wieder großes Aufsehen erregt. Das liegt nicht nur an der spektakulären Bezeichnung "Chaostheorie", die sich aus unerfindlichen Gründen durchgesetzt hat, sondern vor allem daran, dass es sich dabei um eine Theorie komplexer Systeme handelt, die der Natur schon viel näher kommt.
Nehmen wir einen Blitz, einen Baum, den Stammbaum der Arten - deren Verzweigungen und Verästelungen sind nicht mehr vorausberechenbar. Alle möglichen Faktoren können in jedem Einzelfall darüber entscheiden, ob sich ein Ast entwickelt oder nicht; und wenn, ob er nach links oder nach rechts oder sonst wohin wachsen wird. Und völlig "unwissenschaftlich": Es gibt keine zwei gleichen Bäume! Und dasselbe gilt auch für das Mündungsdelta eines Flusses oder auch für die Neuronen in der Hirn-rinde.
In komplexen Systemen gelten andere Gesetze. Nicht dass sie die bisher gefundenen Gesetze außer Kraft setzten, aber mit diesen kann man komplexe Systeme nicht hinreichend erklären.
Auffallend dabei ist eine Nicht-Linearität in zweifacher Hinsicht:
1. Ursache und Wirkung sind nicht linear, nicht in einer Richtung verknüpft, sondern in Form einer Rückkopplung. Die Wirkung wirkt auf die Ursache zurück, und diese Schleife wird sehr oft wiederholt (iteriert).
2. Die bisher selbstverständliche Annahme "doppelte Ursache ergibt auch doppelte Wirkung" gilt in komplexen, vernetzten Systemen nicht mehr. Kleinste Impulse können gewaltige Auswirkungen haben, umgekehrt kann es vorkommen, dass sich große Ursachen kaum auswirken.
Ersteres nennt man "Butterfly-Effekt", weil tatsächlich ein durch den Flügelschlag eines Schmetterlings in Australien ausgelöster Windhauch in der Folge durch Aufschaukeln einen Sturm in Mitteleuropa auslösen kann.
Praktisch alle Kreisläufe des Lebendigen sind rückgekoppelten Systeme: Blutkreislauf, Herzrhythmus, die Spikes der Hirnströme, die Stoffwechselzyklen. Leben ist nicht gleichbedeutend mit Ordnung, wie man meinen könnte, sondern das Leben spielt sich an der Grenze zwischen Ordnung und "Chaos" ab. Erst dadurch sind Selbstorganisation und Anpassungsfähigkeit möglich.
Regelmäßigkeit, Gleichförmigkeit ist in den genannten Kreisläufen nicht ein positives, sondern sogar ein akutes Gefahrensignal! Vor epileptischen Anfällen werden z.B. die Hirnströme, gemessen im EEG, sehr regelmäßig. Ebenso ist der Herzrhythmus im gesunden Zustand alles andere als regelmäßig. Er wird aber sehr gleichförmig, wenn ein Herzinfarkt droht.
In der Medizin kann man infolge dieser neuen Theorie zu einer offeneren Betrachtung zum Beispiel von Therapiemöglichkeiten kommen. Man kann auf den Organismus auf verschiedene Weise einwirken und dennoch dasselbe erreichen. Das heißt, man kann eine Krankheit mit verschiedenen Methoden (schulmedizinischen wie komplementärmedizinischen) behandeln, und es können unter Umständen sogar alle erfolgreich sein.
Auch kleinste Einwirkungen, richtig gesetzt, können einen Heilungsprozess in Gang setzen, was vor allem eine plausible Erklärung für die Methode der Homöopathie sein könnte.
Und manchmal wird es gar nicht so sehr davon abhängen, welcher Reiz gesetzt wird, sondern vor allem davon, dass überhaupt ein Reiz und damit eine Veränderung initiiert wird. Der Organismus reguliert sich dann von selbst.
Methoden der Ganzheitsmedizin
Im Folgenden soll an zwei Beispielen von komplementären Methoden weniger die Methoden selbst, als das Prinzip, das jeweils dahinter steht, erörtert werden. Es wurden dabei ganz bewusst zwei Methoden gewählt, die naturwissenschaftlich (noch) nicht anerkannt sind.
a) Homöopathie
Begründer der Homöopathie ist der Arzt, Apotheker und Chemiker Samuel Hahne-mann, der 1796 sein grundlegendes Werk über diese für die damalige Zeit revolutionäre Heilmethode veröffentlichte. Die Bezeichnung stammt aus dem Griechischen (homoion = ähnlich, pathos = Leiden), und kommt daher, dass man in der Homöopathie eine Krankheit mit einem Mittel heilt, das am gesunden Menschen ein ähnliches Leiden er-zeugt. Dies ist der erste Grundsatz der Homöopathie, die allgemein als die Simile- (Ähnlichkeits-)Regel bezeichnet wird.
Erklären kann man sich das folgendermaßen: Krankheit ist in diesem Weltbild der Versuch des Organismus, aus dem Gleichgewicht geratene und geschädigte Kräfte wieder zu ordnen und zu heilen.
Reichen die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht aus, so wählt der Homöopath eine Arznei, die möglichst ähnliche Regulierungsvorgänge hervorruft. Sie bewirkt damit das, was der Körper unter dem Einfluss der Krankheit tun sollte, und kann so wegen dieser Ähnlichkeit mit der krankmachenden Störung die blockierten oder geschwächten Abwehrreaktionen wieder in Gang setzen.
In der Homöopathie soll der ganze Mensch geheilt werden, nicht nur ein Symptom oder ein Organ. Neben seiner Körperlichkeit gehören daher auch seine emotionellen und psychischen Qualitäten dazu. Diese muss der homöopathisch tätige Arzt in seine Anamnese aufnehmen, und er darf die Behandlung nicht beenden, ehe sich nicht auch im emotionellen, psychischen und intellektuellen Bereich des Patienten eine Entwicklung vollzogen hat.
Werden kleinere Störungen vernachlässigt oder falsch behandelt, kann es zu chronischen Beschwerden kommen. Viele Patienten, die eine homöopathische Praxis aufsuchen, kommen wegen solcher chronischer Erkrankungen und haben zumeist schon massive andere Behandlungen hinter sich. Auf diesem Gebiet liegt aber eine besondere Stärke der Homöopathie.
Da die Homöopathie in Bezug auf die Arzneimittelwahl und den Heilungsverlauf von klaren Gesetzmäßigkeiten bestimmt wird, ist sie lehr- und lernbar. Sie ist aber einer naturwissenschaftlichen Beweisführung nur schwer zugänglich, weil sie 1. individuell vorgeht, und weil sie 2. auf einer sehr subtilen Ebene arbeitet.
Dass Homöopathie wirkt, kann angesichts der Erfahrung von vielen Ärzten, die jahre- und jahrzehntelang damit arbeiten, kaum ernsthaft bestritten werden.
D a ß Homöopathie wirkt, ist eine Frage, w i e sie wirkt, ist eine andere. Gegner dieser Heilmethode meinen, dass etwaige Erfolge nur auf einen Placebo-Effekt zurückzuführen wären. (Placebo ist bekanntlich ein Mittel, das chemisch völlig unwirksam ist, aber durch den Glauben an die Heilung trotzdem zum Erfolg führen kann). Dem halten die Befürworter der Homöopathie entgegen, dass ihre Methode sogar bei Tieren wirkt, wo man wohl kaum von Placebo-Effekten sprechen kann.
Dieser Diskussion liegt zugrunde, dass die Homöopathie mit Verdünnungen von Heilsubstanzen arbeitet, die Potenzierungen genannt werden. Dabei wird ein Teil einer Grundsubstanz (Urtinktur) mit zehn Teilen Alkohol verschüttelt. Das Ergebnis nennt man D 1, das ist die erste Dezimalpotenz der ursprünglichen Substanz. Diese D 1 verschüttelt man wieder im Verhältnis von 1 : 10 und erhält damit eine D 2 usw.
Nun weiß man aber, dass ab einer D 23 bereits kein einziges Molekül der Urtinktur in der Arznei mehr vorhanden sein kann. Alles was nachher kommt, ist chemisch immer dasselbe, nämlich Alkohol. Für die Gegner der Homöopathie ist damit bewiesen, dass diese Heilmethode mit unwirksamen Substanzen arbeitet, die bestenfalls einen Placebo-Effekt hervorrufen können.
Der Homöopath hingegen verwendet die Hochpotenzen, um sicherzugehen, dass er nicht mehr mit dem materiellen Aspekt arbeitet, sondern nur mehr mit der Information, die im Heilmittel steckt. Bei der Potenzierung wird nämlich schrittweise das Wesentliche der Arznei von seiner äußeren Form gelöst und die freiwerdende Information an einen neutralen Träger gebunden.
Je weniger wirksam die so erhaltene Arznei chemisch gesehen ist, desto wirksamer wird sie im psychischen Bereich, im Bereich der Krankheitsursachen. Hahnemann sagte deshalb ausdrücklich: "Es sind nicht die körperlichen Atome dieser hoch dynamisierten Arzneien ... ", sondern " ... eine aus der Arznei-Substanz ... frei gewordene, spezifische Arzneikraft, welche ... auf den ganzen Organismus dynamisch einwirkt und zwar umso stärker, je freier und immaterieller sie durch die Dynamisierung geworden ist..."
Aber das wusste auch schon Paracelsus, wenn er sagte: "Was die Zähne kauen, ist die Arznei nit; niemand sieht die Arznei. Es liegt nit am Leib, sondern an der Kraft."
Und das spiegelt sich genau in den Dosierungsformen wider. Von einer D 6 muss der Patient vielleicht alle zwei Stunden sieben Tropfen oder sieben Globuli (Kügelchen, die feste Verabreichungsform) nehmen. Eine D 30 darf er nur einmal am Tag nehmen, und eine D 200 bekommt er nur ein einziges Mal, und dann nimmt er sechs Wochen nichts mehr. Die Wirkung erhöht sich, je weniger chemisch gesehen "drin ist".
Der homöopathisch behandelnde Arzt ist der Ansicht, dass nicht der Körper krank ist, sondern der Mensch. Im Körper spiegelt sich nur die äußere Form der Krankheit. Will man den Menschen wirklich heilen, so muss das, was ihm (im Seelischen) fehlt, ergänzt werden. Das kann man offenbar mit einem homöopathischen Heilmittel, das die fehlende Information "zuführt". Dieser Informationszuwachs bedeutet eine Bewusstseinserweiterung, und das ist im Wesentlichen Heilung.
Ein Beispiel für die Wirkung von Homöopathie:
Eine Frau kam wegen Wechselbeschwerden zu einer homöopathisch tätigen Ärztin, die ihr auch ein entsprechendes Mittel verschrieb. Nach Einnahme dieses Mittels hatte die Patientin den ganzen Tag über Phantasien und Tagträume von Schlangen in allen nur denkbaren Variationen. Das war für sie so eindrucksvoll, dass sie sich sogar von einem Juwelier eine Brosche in Form einer Schlange anfertigen ließ. - Von ihren Beschwerden war sie außerdem geheilt.
Aufgrund dieser doch eigenartigen Wirkung wurde die Patientin neugierig, welches Medikament sie denn da genommen hatte. Als sie nach einiger Zeit wieder zu ihrer Homöopathin kam, fragte sie daher, was sie damals verschrieben hätte. Und die Ärztin antwortete: "Das war ein Schlangenserum!"
Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass es nicht im Mindesten darauf ankommt, ob in der homöopathischen Arznei ein Molekül der Ursubstanz drin ist, oder nicht.
Trotzdem gibt es heute Physiker, die meinen, dass die Wirksamkeit sehr wohl naturwissenschaftlich bewiesen werden kann, nicht im chemischen, wohl aber im atomaren Bereich. Und dann gibt es noch die Chaostheorie, die unter anderem besagt, dass kleinste Ursachen große Wirkungen haben können (der schon erwähnte Butterfly-Effekt). Eine Theorie, die wie geschaffen ist, um die Wirkung homöopathischer Heilmittel verständlich zu machen.
b) Bachblütentherapie
Dr. Edward Bach (1886 - 1936) wurde in London zum Arzt ausgebildet und arbeitete einige Jahre daran, die Rolle der Bakteriologie bei chronischen Erkrankungen zu erforschen. Er arbeitete zunächst mit der Impftherapie, später mit homöopathischen Methoden und entdeckte schließlich die Blütenessenzen als Therapie im psychischen Bereich.
Seine Forschungen hatten ihn nämlich zu der Erkenntnis geführt, dass es eindeutige Persönlichkeitstypen gab, die mit verschiedenen Krankheitsmustern in Zusammenhang stehen. Nicht in den Symptomen, sondern in einem gestörten emotionellen Gleichgewicht sah er daher die wahren Ursachen körperlicher Krankheit. Und er suchte nach einer Methode, diese Störungen direkt zu beheben.
Er fand heraus, dass jede Blüte die positive und harmonisierende Kraft für einen negativen Gemütszustand verkörpert. Er stellte Blütenextrakte her, die er in einem bestimmten Maße verdünnte, und verwendete sie als Medizin. Und er konnte beobachten, dass sie imstande waren, gestörte Gemütszustände zu harmonisieren, und dass als Folge die Betreffenden auch wieder gesund wurden.
Krankheit ist in diesem System kein für sich stehendes Ereignis, sondern eine Botschaft der Seele, die darauf hinweist, dass es an der Zeit ist, Lebensweise und geistige Einstellungen zu ändern.
Bestimmte Formen der Lebenskraft, die sich im Menschen als Gedanken und Gefühle äußern, manifestieren sich nach Bach auch in der Natur, zum Beispiel in Blumen. Durch eine innere Resonanzwirkung kann daher die Kraft der Blüten-Essenz das entsprechende emotionelle Muster im Menschen, wenn es gestört ist, wieder zur natürlichen Funktion anregen.
Diese von Bach angesprochenen Verhaltensweisen sind "Karikaturen" positiver Qualitäten, die gestört und deformiert werden. So wird aus unterdrückter Vitalität Aggressivität, Hass oder Depression, aus Sensibilität wird Sentimentalität, aus dem Bemühen um das Richtige wird Schuldgefühl und aus Empfindsamkeit wird Angst. Die Bachblüten können die ursprüngliche Qualität verstärken und so die Fehlentwicklung umkehren.
Gesundheit bedeutete Bach optimales seelisches und körperliches Wachstum und harmonische Lebensentfaltung. Der Schlüssel zur Gesundheit liegt dann darin, sich selbst zu ändern. Echte Gesundung beginnt daher immer im seelisch-geistigen Bereich, mit der Änderung der Einstellung zu sich selbst, zum Leben und zur Umwelt, mit der Entwicklung innerer Qualitäten.
Bach sah den Menschen als mehrdimensionales Wesen. Eine Medizin, die dieser Tatsache gerecht werden will, muss den physischen Bereich ebenso betreffen wie den seelisch-geistigen Bereich.
Medizin muss darauf ausgerichtet sein, diese andere Dimension, die unbeachtet und unbewusst geblieben ist, die ignoriert und abgelehnt wird – nicht zuletzt durch eine falsch verstandene Wissenschaftlichkeit - wieder bewusst zu machen.
Zusammenfassung
In einer ganzheitlichen Medizin ist Heilung nicht möglich, indem man nur Symptome bekämpft und beseitigt. Der Fehler wird damit nämlich nur beseitigt, auf die Seite, nämlich ins Unbewusste hin verschoben.
Damit ist nichts wirklich gewonnen, denn der im Psychischen liegende Fehler wird sich bei nächster Gelegenheit wieder körperlich manifestieren. In einem Rückfall oder einem anderen Symptom, das vom nächsten Arzt als neue Krankheit diagnostiziert wird, obwohl es sich nach wie vor um das in Wirklichkeit unbehandelte alte Problem handelt.
Die Krankheit ist äußerer Ausdruck eines Problems, das, wenn es nicht bewusst bearbeitet wird, sozusagen in den Körper rutscht und sich dort als Symptom manifestiert. Wer sich fragt, was dieses Symptom bedeutet, der damit etwas über sich lernt und das, "was ihm fehlt" ergänzt, der ist wirklich geheilt und damit durch die Krankheit zu einer reiferen Persönlichkeit geworden.
Wenn wir uns jetzt nach all diesen Überlegungen noch einmal fragen, was unter Ganzheitsmedizin zu verstehen ist, so kommen wir zu einer Definition, die drei Dimensionen umfassen muss:
1. Ganzheitsmedizin ist nicht ein anderes Wort für Alternativmedizin oder Komplementärmedizin, sondern
Ganzheitsmedizin umfasst Schulmedizin u n d Komplementärmedizin.
Das wäre die erste, sozusagen horizontale Dimension. Die Methoden stehen gleichberechtigt nebeneinander.
Diese Definition ist aber nicht ausreichend, denn es ist nicht jeder Arzt, der nadelt oder homöopathische Medikamente verschreibt, dadurch automatisch ein Ganzheitsmediziner. Daher noch eine zweite, vertikale Dimension, die das Weltbild betrifft:
2. Der Ganzheitsmediziner behandelt den Menschen - und zwar ganz bewusst - als Ganzes, als Einheit von Körper, Seele und Geist.
Sprüche wie "Medizin ist immer Ganzheitsmedizin" haben daher wenig Sinn, weil das naturwissenschaftliche Weltbild den Menschen gar nicht ganzheitlich erfassen kann und daher eine naturwissenschaftliche Medizin, wie es die Schulmedizin ist oder sein will, schon von diesem Anspruch her (im Sinne dieser 2. Dimension) nicht ganzheitlich sein kann.
Auf Grund des vorhin Erörterten kommt außerdem noch eine dritte Dimension hinzu, nämlich eine dynamische:
3. Heilung ist nicht die Wiederherstellung des Zustandes vor der Erkrankung, sondern die Wiederherstellung der Fähigkeit, sich zu entwickeln.
Heilung ist immer Entwicklung. Heilung ist immer ein Lernprozess, ist Bewusstseinserweiterung. Mit anderen Worten: Krankheit hat immer einen Sinn!